Schule des Glaubens

Erbarmt euch derer, die zweifeln. – Judas 22

Es ist ein unscheinbarer Satz in diesem kurzen Brief, der darüber klagt, dass auch die christliche Gemeinde keine heile Welt ist: „Gottlose“ haben sich „eingeschlichen“ und „missbrauchen die Gnade Gottes für ihre Ausschweifung“, sie sind „Schandflecken“, „prassen ohne Scheu, weiden sich selbst“, sind „Wolken ohne Wasser“ (12). Man spürt, dass das Leiden an der Kirche (und auch an der konkreten Gemeinde vor Ort) von Anfang an zum Christ sein dazugehört hat.

Judas ist sich sicher: Gott wird einmal gerecht richten und diese Ungerechtigkeit in Ordnung bringen. Aber er ruft nicht dazu auf, in der Gemeinde zwischen „guten“ und „schlechten“ Christen zu unterscheiden und zu trennen. Stattdessen: Lebt und pflegt euren Glauben (20,21), vertraut darauf, dass „Gott euch vor dem Straucheln bewahren kann“ (24), und eben: „erbarmt euch derer, die zweifeln“.

Die christliche Gemeinde ist keine Versammlung der fertigen Christen, sondern eine Schule des Glaubens, wo wir miteinander üben, Christen zu sein. Da mag es Anfänger und Fortgeschrittene geben, aber üben müssen wir alle noch. Manche gehen vielleicht schneller, manche langsamer und manche überhaupt nicht voran auf dem Weg des Glaubens – aber es ist nicht unsere Aufgabe, mit der Stoppuhr am Rand zu sitzen.

Wir können einander zum nächsten Schritt ermutigen. Wir können ihn selber gehen. Und alles dafür tun, auch die Langsamen, die Zögernden, die Zweifelnden mitzunehmen. Gemeinde als Schule des Glaubens, das ist kein Wettlauf, in dem es darauf ankommt, zu den Schnellsten zu gehören, sondern eine Pilgerreise, auf der auch die Schwachen und Fußlahmen mit ans Ziel gebracht werden sollen.

Auch wenn es manchmal schwer fällt: Einander aushalten und einander tragen, das ist ein wesentlicher Teil unseres Auftrags.

Ihr Matthias Stempfle


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